Das Giving Pledge ist, wie es auf der Website heißt, „ein Versprechen der reichsten Einzelpersonen und Familien der Welt, den Großteil ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu verwenden“. Im Jahr 2010 gründeten Warren Buffett, Melinda Gates und Bill Gates die Giving Pledge-Initiative nach einer Reihe von Gesprächen mit Philanthropen, in denen es darum ging, wie sie einen neuen Maßstab für Großzügigkeit unter den Ultrareichen setzen könnten. Die Giving Pledge-Initiative zielt darauf ab, einige der dringendsten Probleme der Gesellschaft anzugehen. Zu den 231 Milliardären, die das Versprechen unterzeichnet haben, gehören Namen wie David Rockefeller, Jeff und Marieke Rothschild, Richard Branson, Charles Bronfman, Elon Musk, MacKenzie Scott, Mark Zuckerberg und natürlich die drei Initiatoren.
Viele dieser Menschen haben bereits Milliarden von Dollar gespendet, aber die Welt verschlechtert sich weiter. Ich fürchte, selbst wenn alle auf der Liste ihre Versprechen einhalten, wird die Welt kein bisschen besser sein als sie es heute ist. Sie werden ihren Reichtum über den ganzen Globus verstreuen, hier einen Krankenhausflügel, dort eine neue Schule bauen, aber das Leben der Menschen wird sich nicht wirklich verbessern.
Es stimmt, dass vielerorts die Gesundheits- und Bildungssysteme verbessert werden müssen, aber Geld in kranke Systeme zu stecken, wird sie nicht heilen. Wenn überhaupt, dann wird es die Krankheit nur verschlimmern. So wie es aussieht, wäre die Welt ohne diese Milliarden besser dran.
Die dysfunktionalen Sozial-, Gesundheits- und Bildungssysteme, die wir überall auf der Welt sehen, sind nicht aus Geldmangel in diesem Zustand, sondern aus Mangel an gutem Willen. Es gibt keinen Willen, sie zum Funktionieren zu bringen, weil die Menschen nicht füreinander sorgen. Wenn Menschen sich gegenseitig ausbeuten wollen, haben sie Freude daran, andere leiden zu sehen, und haben kein Interesse daran, das Leben anderer zu verbessern.
Wenn man so viel Geld in ein System steckt, das so korrupt ist, besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass die Gelder bei denen bleiben, die bereits an der Spitze stehen, und dass nichts davon zu denen durchsickert, die es brauchen.
Geld kann für einen guten Zweck verwendet werden, wenn die Menschen es für einen guten Zweck verwenden wollen. Um zu verhindern, dass Milliarden, wenn nicht gar Billionen von Dollar die Korruption noch weiter verfestigen und in den Händen korrupter Bürokraten verbleiben, muss die gesamte Gesellschaft einen umfassenden Bildungsprozess durchlaufen. Wenn die Menschen lernen, füreinander zu sorgen, werden sie die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen ganz natürlich zum Wohle aller einsetzen. Wenn dies geschieht, werden wir feststellen, dass wir für einen Bruchteil der Kosten, die die Menschen heute für notwendig halten, eine ausgezeichnete Gesundheit und eine hervorragende Bildung haben können.
Um dies zu erreichen, brauchen wir einen Bildungsprozess. Die einzige Bildung, die wir brauchen, ist, dass wir lernen, füreinander zu sorgen. Um eine solche Denkweise zu erreichen, müssen wir das Thema von allen Seiten angehen. Die Wissenschaft beweist, dass nur Systeme überleben und sogar gedeihen, deren Teile zusammenarbeiten und die Gesundheit aller ihrer Elemente erhalten. Auch die Geschichte beweist, dass Gesellschaften, in denen Solidarität und Zusammenhalt stark waren, florierten, und dass sie auseinander fielen, wenn innere Spaltungen die Oberhand gewannen. Wir müssen in jeder Hinsicht zeigen, dass wir nur dann stark, gesund und glücklich sein können, wenn wir vereint sind und füreinander sorgen.
In den kommenden Jahren werden Hunderte von Millionen Menschen arbeitslos sein. Die Pandemie beschleunigt diesen Prozess, und schon jetzt sind zig Millionen Menschen arbeitslos, entweder freiwillig oder als Folge des Verschwindens ihrer Arbeitsplätze durch die Pandemie. Wie sollen sie sich und ihre Familien ernähren, wenn es keine gegenseitige Verantwortung unter uns gibt? Wie sollen sie gesund bleiben, wenn sie nicht das Gefühl haben, dass die Gesellschaft sich um sie kümmert und dass sie der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind? Sie werden zu abtrünnigen Individuen, die jeden Moment explodieren und Schaden anrichten können.
Wenn sie jedoch solidarisch denken, verstehen und spüren, dass wir alle voneinander abhängig sind und die Gesellschaft für sie sorgt, werden sie konstruktive Wege finden, ihren Beitrag zu leisten, und die Gesellschaft wird von ihnen profitieren.
Je länger die Pandemie in der Gesellschaft wütet, desto dringender müssen wir uns die Regeln der neuen, entstehenden Welt aneignen und lernen, wie man in ihr agiert. Erst wenn wir verstanden haben, wie sich die Spielregeln geändert haben, werden wir wissen, was wir mit den Milliarden von Spendengeldern anfangen sollen. Dann werden wir auch erkennen, dass wir keine Menschen brauchen, die der Gesellschaft ihr Geld geben, sondern ihre Herzen.
Bildunterschrift:
Berkshire Hathaway CEO Warren Buffett (R) und Microsoft-Mitbegründer Bill Gates reagieren nach ihrer Teilnahme an einem Zeitungswurf-Wettbewerb vor der Berkshire-Jahresversammlung in Omaha, Nebraska, 2. Mai 2015. REUTERS/Rick Wilking
