Friedensabkommen werden immer wieder geschlossen und ebenso oft gebrochen.
M. Laitman: Die wichtigste Bedingung für ein Abkommen ist, dass ich die Notwendigkeit des anderen spüre, etwas Drittes zu erreichen. Und das ist nicht der Fall. Ein Vertrag kann nur eingehalten werden, wenn ich weiß, dass ich ohne diesen Vertrag nicht nur mein Ziel nicht erreiche, sondern alles verliere! Meiner Wahrnehmung nach muss das Abkommen mir ein Leben, eine Existenz auf der nächsten Entwicklungsstufe ermöglichen, das sonst unmöglich wäre. Ich muss sie als obligatorisch, integral und notwendig empfinden, als einzig mögliche Form des Fortbestehens, ohne die es für mich keine Lebensgrundlage gibt. Dann kann dieser Vertrag bestehen.
Is. Schimschon: Warum haben wir dieses Bewusstsein nicht? Es scheint ganz einfach: Ich kann ohne die anderen nicht existieren, daher muss ich mich an den Friedensvertrag halten.
M. Laitman: Nein. Hier wirken gegensätzliche Kräfte. Der Egoismus erlaubt es uns nicht. Warum gibt es ihn? Damit wir eine Ebene erreichen, auf der dieser Egoismus den Gegner zum Freund macht. Das heißt, wir müssen lernen, dass alle Abstoßungskräfte auf Plus und nicht auf Minus arbeiten müssen.
Is. Schimschon: Ich brauche also den Friedensvertrag, solange er mir nützt, richtig?
M. Laitman: Natürlich.
Is. Schimschon: Aber wie kann ich einen Vertrag unterzeichnen, der funktioniert, obwohl er mir nicht nützt? Das heißt, im Moment ist es für mich profitabel, ich habe es unterschrieben. Obwohl es für mich nicht mehr von Vorteil ist, erkläre ich mich bereit, mich an die Vereinbarung zu halten. Ist es in unserer Welt überhaupt möglich, einen solchen Vertrag zu unterzeichnen?
M. Laitman: Nicht in unserer Welt. Es bedarf einiger weiterer Bedingungen. Man muss sich über den Egoismus erheben. Der Egoismus muss als notwendige Eigenschaft akzeptiert werden, auf der wir die Zukunft aufbauen können.
Und vor allem ist es der richtige Weg, die Zukunft mit Hilfe des Egoismus zu gestalten. Das heißt, den Egoismus als die Hauptkraft der Natur hervorzuheben, auf der die Interaktion beruht – auf den Widerspruch zum Egoismus, und eben dennoch auf ihm aufbauend. Dies ist ein ganzes System, über das gesondert gesprochen werden muss.